Heute ist es noch nicht soweit.
C.N. ist 39 Jahre alt. Sie hat die Diagnose eines bösartigen Lungenkrebses vor 17 Monaten erhalten. Vor zwölf Monaten wurde ihr gesagt, dass die Therapie es nicht geschafft hat, die Erkrankung zu besiegen. Die Ärzte sagten ihr, sie sei zwar unheilbar krank, aber man könne trotzdem sehr viel tun, um ihr „Zeit zu kaufen“. Sie hat regelmäßig Chemotherapie-Infusionen bekommen und dabei versucht, sich mit einem Leben ohne Haare zu arrangieren und dem Gefühl, sie müsse immer einen Rucksack mit Bleigewichten tragen. Der Kopf war vor sechs Monaten bestrahlt worden. Vor drei Tagen ist sie zu Hause umgefallen und hat vor den Augen der Kinder auf dem Boden gelegen und unkontrolliert zu zucken begonnen. Mit Hilfe einer Nachbarin haben die Kinder den Notarzt gerufen. Seitdem ist sie im Krankenhaus.
„Jeden Tag steht die Frage im Raum: Wie lange noch?“ C. lächelt. „Eigentlich gilt das nicht nur für kranke Menschen, aber für die eben ganz besonders. Manchmal nimmt die Frage mir die Kraft morgens aufzustehen, manchmal feiere ich schon beim Aufwachen, dass es an diesem Tag eben noch nicht soweit ist.“
Die Metastasen im Gehirn sind nicht neu – sie dachte nur, die wären durch die Strahlentherapie ausgemerzt worden. Der Krampfanfall vor den Kindern ist neu. Es ist eine neue Dimension von Zumutung, die ihr die Krankheit aufzwingt. Es ist ihr peinlich. Sie fürchtet, den Kindern ungeheure Angst eingejagt zu haben. Außerdem hat sie in die Hose gemacht dabei. Die Kinder sind jetzt bei ihrem Ex-Mann. Er wird sie wieder viel zu lange wach bleiben lassen und die Handyzeiten nicht kontrollieren.